Erste Lesung aus dem Buch Génesis. Gen 2, 7. 18–24
7 Gott, der HERR, formte den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den
Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
18 Gott, der Herr, sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.
Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist.
19 Gott, der Herr, formte aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels
und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde.
Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte sein Name sein.
20 Der Mensch gab Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes.
Aber eine Hilfe, die dem Menschen ebenbürtig war, fand er nicht.
21 Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen,
sodass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch.
22 Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte,
eine Frau und führte sie dem Menschen zu.
23 Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.
Frau soll sie genannt werden; denn vom Mann ist sie genommen.
24 Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch.
Zweite Lesung aus dem Hebräerbrief. Hebr 2, 9–11
Schwestern und Brüder!
9 Den, der ein wenig unter die Engel erniedrigt war, Jesus,
ihn sehen wir um seines Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt;
es war nämlich Gottes gnädiger Wille, dass er für alle den Tod erlitt.
10 Denn es war angemessen, dass Gott, für den und durch den das All ist
und der viele Söhne zur Herrlichkeit führen wollte,
den Urheber ihres Heils durch Leiden vollendete.
11 Denn er, der heiligt, und sie, die geheiligt werden, stammen alle aus Einem;
darum schämt er sich nicht, sie Brüder zu nennen.
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus. Mk 10, 2–16
In jener Zeit – und das ist HEUTE –
2 kamen Pharisäer zu Jesus und fragten: Ist es einem Mann erlaubt,
seine Frau aus der Ehe zu entlassen? Damit wollten sie ihn versuchen.
3 Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben?
4 Sie sagten: Mose hat gestattet, eine Scheidungsurkunde auszustellen
und die Frau aus der Ehe zu entlassen.
5 Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben.
6 Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie männlich und weiblich erschaffen.
7 Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen
8 und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch.
9 Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.
10 Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber.
11 Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet,
begeht ihr gegenüber Ehebruch.
12 Und wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet, begeht sie Ehebruch.
13 Da brachte man Kinder zu ihm, damit er sie berühre. Die Jünger aber wiesen die Leute zurecht.
14 Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen;
hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes.
15 Amen, ich sage euch:
Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.
16 Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.
SONNTAGSGEDANKEN
Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder die andere sich innerlich fragen: „Sind das die richtigen Lesungstexte zum Ernte-Dank-Sonntag?“
Mit Ernte-Dank-Fest verbinden wir doch den Dank für die Früchte der Erde und menschliche Arbeit, die daraus für uns Lebensmittel gemacht hat. Wir danken also zum Beispiel für das geerntete Korn und das daraus gebackenen Brot. Wir danken für Beeren und Trauben und die daraus erzeugten Marmeladen und Weine.
In der zweiten Schöpfungserzählung hören wir von einer besonderen Frucht der Erde. Es heißt: Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.“
Ernte-Dank – so vermittelt uns die Heilige Schrift – beginnt also eigentlich mit dem Danken dafür, das wir Menschen die Frucht der Erde sind und zwar eine Frucht, die Gott gewollt hat und sich im Laufe von Milliarden der Erdentwicklung und den letzten Millionen Jahren der Evolution hat entstehen lassen.
Wir alle sind Früchte der Erde.
Unser Wort „Dank“ leitet sich ab vom Wort „denken“.
Wir Menschen sind die einzigen Früchte der Erde, die für ihr Dasein und das Dasein aller anderen Früchte danken können, weil wir „denken“ können. Nur wer denken kann, kann auch danken. Denn das Denken, das Überdenken, das Nachdenken und Bedenken ermöglicht, die Zusammenhänge unseres Daseins zu erkennen. „Danken“ ist das Wissen um Zusammenhänge, die uns das Leben ermöglichen. Wir alle leben heute in vielfacher Hinsicht davon, dass sich viele Menschen vor uns und natürlich auch heute Gedanken gemacht haben, wie die Dinge zusammenhängen, damit der Zusammenhang unser Leben erhält und fördert. Die Bibel schildert das mit den Worten: „Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, sodass er einschlief, … Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu.“
Diese dichterischen Worte sagen uns auf ihre Weise: Gott hat Dich, Mensch, gewollt. Aber die Fülle und Weitergabe des Lebens erlangst Du nur durch den Zusammenhang von Mann und Frau – oder wie Jesus es ausdrückt: durch „männlich und weiblich“ – also durch ein anderes Gegenüber – nicht durch dich allein.
Wie könnte auch ein Gott, der sich selbst als „ICH BIN BEI EUCH“ bezeichnet und benennt sein Ebenbild – den Menschen – anders gestalten als „ICH MIT DIR“?
Die gesamte Schöpfung – mit und ohne Menschen – existiert immer nur als „Ich mit Dir“. Ob im gesamten All, in den Galaxien, als unser Sonnensystem, als Erde und Mond, als Tag und Nacht, als Wasser und Erde usw., usw. Es gibt kein Dasein ohne Zusammenhang. Wir leben vom Miteinander. Das ist der Lebensatem, der Geist Gottes. In der biblischen Erzählung offenbart sich dieser Lebensatem, dieser Geist Gottes in dem Jubelruf des Erdenmenschen: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.“ Dieser Zusammenhang macht den Erdmenschen dankbar, denn jetzt erst kommt er zur Lebensfülle.“ Der einzelne Mensch ist so dankbar, dass es dann heißt: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch.“ Der Mann verlässt den Zusammenhang, aus dem er stammt, und folgt seiner neuen Lebens-Zusammenhang-Geberin der Frau, später Eva genannt wird: „das Leben“! Dieses „ICH MIT DIR und „DU MIT MIR“ ist nun das Höchste und wichtigste für den Menschen. Dafür ist er überaus dankbar. Das ist für den Menschen „von Gott gegeben“.
Ernte-Dank ist also zuerst der Dank für all das, was uns durch das Miteinander von Menschen und den Früchten der Erde sowohl das Leben ermöglicht, erhält und froh macht, als auch im Innersten unseres Herzens mit Freude und Dankbarkeit erfüllt, weil „DU BEI MIR BIST: DU Mitmensch, DU Gott!“. Dazu sagt Jesus: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“
Ich spare mir jetzt irgendwelche Bemerkungen zu moralischen Ansichten und kirchenrechtlichen und Bestimmungen. Für mich ist es wichtig, die Grundhaltung der Frohen Botschaft Jesu deutlich zu machen, die uns sagen will: Lebe dankbar mit Gottes Lebensatem: ICH BIN BEI EUCH.
Jesus selbst schafft das Gebot des Moses nicht ab. Er sagt aber: „Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben.“ Jesus appelliert an unser Herz, das immer auch die Alternative hat, umzudenken, sich erweichen zu lassen und zu vergeben. „Vergebung“ ist die höchste Form der Liebe! Vergebung ist das Festalten an dem GOTT ICH BIN BEI EUCH.
Jesus sagt das zum „Nach-Denken“, zum Überdenken, zum Bedenken. Er spricht vom „Bruch“ eines Lebenszusammenhanges.
Aber er verurteilt nicht…, wie er in einem Fall von Ehebruch spricht: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh 8, 11) Leben ohne Brüche – gibt es das überhaupt? Zumindest will Jesus einen Bruch absolut verhindern: den Bruch der „Kinder Gottes“ mit dem GOTT ICH BIN BEI EUCH. Die Kinder entstehen ja aus dem Miteinander und Füreinander der Menschen „männlich und weiblich“. Allein ihr biologischer Ursprung liegt in der Entstehung aus ICH mit DIR und DU mit MIR. Das ist unser aller Urerfahrung – auch ohne den Glauben an Gott!
Indem Jesus spricht: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes.“, macht er deutlich, was er von den Menschen denkt und in welchem Zusammenhang er alle Menschenkinder sieht: als Erben des Reiches Gottes. Und so drückt er das ohne Worte sichtbar in einer Zeichenhandlung aus: „und nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.“
Auch viele dieser Kinder werden Brüche in ihrem Leben erfahren haben. Aber einen unzerstörbaren Zusammenhang sollten sie wissen und erfahren: Gott hat sie durch Jesus gesegnet. „Segen“ heißt in der Sprache Jesu Baruch und bedeutet „Leben vermehren“.
Darum danken wir heute Gott und einander und feiern, dass wir mit Gottes Hilfe das Leben vermehren. Ferdinand Rauch / www.rauch-signale.de