Erste Lesung aus dem Buch Jesája. Jes 9, 1–6
1 Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht;
über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf.
2 Du mehrtest die Nation, schenktest ihr große Freude. Man freute sich vor deinem Angesicht,
wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird.
3 Denn sein drückendes Joch und den Stab auf seiner Schulter,
den Stock seines Antreibers zerbrachst du wie am Tag von Mídian.
4 Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, wird verbrannt,
wird ein Fraß des Feuers.
5 Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt.
Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus:
Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.
6 Die große Herrschaft und der Frieden sind ohne Ende
auf dem Thron Davids und in seinem Königreich,
es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit, von jetzt an bis in Ewigkeit.
Der Eifer des Herrn der Heerscharen wird das vollbringen.
Zweite Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an Titus. Tit 2, 11–14
11 Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.
12 Sie erzieht uns dazu, uns von der Gottlosigkeit
und den irdischen Begierden loszusagen
und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben,
13 während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten:
auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus.
14 Er hat sich für uns hingegeben, damit er uns von aller Ungerechtigkeit erlöse
und für sich ein auserlesenes Volk schaffe, das voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun.
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas. Lk 2, 1–11
1 Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augústus den Befehl erließ,
den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen.
2 Diese Aufzeichnung war die erste; damals war Quirínius Statthalter von Syrien.
3 Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.
4 So zog auch Josef von der Stadt Nazareth in Galiläa
hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt;
denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids.
5 Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.
6 Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte,
7 und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen.
Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe,
weil in der Herberge kein Platz für sie war.
8 In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.
9 Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie
und sie fürchteten sich sehr.
10 Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe,
ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll:
11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.
12 Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden,
das in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
13 Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach:
14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.
15 Als die Engel von den Hirten in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander:
Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat!
16 So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.
17 Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war.
18 Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde.
19 Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen.
20 Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles,
was sie gehört und gesehen hatten.
WEIHNACHTS-GEDANKEN
Es ist jetzt noch ein Tag vor dem Heiligen Abend, bzw. vor der Heiligen Nacht. Siebzigmal habe ich seit meiner Geburt Weihnachten erlebt, Weihnachten mitgestaltet, mitgefeiert. Was ist „Weihnachten“ nach und mit so vielen Erfahrungen rückblickend für mich? Schließlich habe ich dieses Fest mit dem vorausgehenden Advent als kleines Kind, als Jugendlicher und junger Erwachsener und in über vierzig Priesterjahren jeweils ganz anders erlebt. „Weihnachten vor 60 Jahren war anders als vor 50, vor 40, 30, 20 und 10 Jahren. Aber auch anders an anderen Orten mit anderen Menschen. Weihnachten entwickelte sich mit meinem Leben.
Wenn ich jetzt im Moment gefragt würde: „Was ist für Dich Weihnachten?“, dann würde ich antworten: „Weihnachten erlebe ich zurzeit als das Fest der Zusammenführung der Menschen.“
Wie sehr haben wir durch dieses Fest und seine Traditionen erfahren, was es bewusst und noch vielmehr unbewusst für uns bedeutete: beschenkt zu werden, in Familie zusammen zu kommen, gemeinsam zu singen, zu essen und zu trinken, miteinander zu sprechen und möglicherweise auch zu beten. Viele Dinge, viele Emotionen, viel Erfahrungen von Liebe und Wohlwollen – besonders in der Zeit als Kinder – haben uns zusammengeführt, zusammen-gebracht und innerlich einen Zusammenhang, einen Halt gegeben. Wenn Menschen zur Weihnacht allein sind, getrennt von lieben Menschen und geliebten Traditionen, dann sieht man ihnen an, dass ihnen diese weihnachtliche Zusammenführung nicht nur fehlt, sondern die Trennung sie auch sehr schmerzt.
Gerade das Weihnachtsevangelium macht deutlich, dass man manchmal durch höhere Zwänge Trennung erlebt. Es heißt ja: „dass Kaiser Augústus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten eintragen zu lassen, und jeder in seine Ursprungstadt gehen musste. So zog auch Josef von der Stadt Nazareth in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt.“ „Weihnachten“ – als Fest der Zusammenführung – ist hier die Zusammenführung mit der Geschichte Israels und macht an dieser Stelle deutlich: „Mensch – Du stehst in einer uralten Verheißung.“ Wohin wir im Leben auch geführt werden – freiwillig oder unfrei-willig: wir stehen alle wie Joseph durch Christus Jesus in jener Verheißung Gottes an Davids Sohn: „Ich will sein Vater sein, und er wird mein Sohn sein.“ (2Sam 7,14) Und David antwortet: Herr, mein Gott, weil du meine Familie gesegnet hast, wird sie in Ewigkeit gesegnet sein, denn du selbst hast es mir versprochen.“ (2Sam 7,29) Weihnachten ist das Fest der Zusammenführung mit der gesamten biblischen Geschichte – über David, zu Abraham bis – wir sagen – hin zu Adam und Eva. Geschichte ist auch Leidensgeschichte.
Denn Weihnachten ist aber auch gleichzeitig immer die Zusammen-führung mit unserer Welt, die zerbrechlich ist. Die Worte: „Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“, machen das deutlich. Das Weihnachtsfest blendet in der Zusammenführung die Grenzen und Grenzerfahrungen unseres Lebens nicht aus. Weihnachten ist auch das Fest, das uns mit der Realität unseres Daseins zusammenführt. Umhüllt von Windeln, umhüllt von Mutterliebe, muss das Kind in einer Tierkrippe liegen und mit seinen Eltern erfahren: „dass in der Herberge kein Platz für sie war.“ Genau das ist der Ausdruck für all die Weihnachtserfahrungen, wo Menschen schmerzhaft empfinden, „dass in der Herberge kein Platz für sie war.“ Wo Menschen am Fest der Zusammenführung erleben, empfinden, dass für sie kein Platz im Herzen der anderen zu sein scheint, dass sie im Stall liegen, wo es tierisch zugeht und nicht in der bergenden „menschlichen Herberge“, da schmerzt das Fest der Zusammenführung des Menschen Herz. „Weihnachten kann sehr schmerzhaft sein. Weihnachten kann ein Schrei nach Zusammen-führung sein, denn Weihnachten war für viele in ihrer Kindheit die große schöne erinnerungsstarke Lebenserfahrung.
Weihnachten war und ist das Fest der Zusammenführung gegen alle Trennung. Diese Zusammenführung muss man hüten, auch wenn es noch so dunkel ist. Darum heißt es im Evangelium: „In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.“ Hirten halten symbolisch Wache, damit die Schafe und Ziegen ihrer Herden zusammenbleiben. Sie hüten den Zusammenhang, die Grundlage ihres Lebensunterhaltes. Wo das bewusst geschieht, da geschieht das Wunderbare:
„Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. Der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.“
Gott verkündet durch seinen Frohbotschafter: Ich feiere mit Euch das Fest der Zusammenführung von Gott und Mensch! Und zwar im schwächsten Zustand des Menschen: als hilfloses Baby im Stall, wo es tierisch zugeht, im eingeschnürten Windel-Leben, in der Ungeborgenheit – nicht in der Herberge. Wie klein und hilflos Du bist oder Dich empfindest – lässt Gott verkünden – Ich führe mich untrennbar mit Dir zusammen. Wahrer Gott und wahrer Mensch vereint. Das soll euch als Zeichen dienen.Gott gibt sich die Ehre und Friede wird auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.
Achtung: nicht Friede, weil den Menschen nun alles wohlgefällt, sondern weil Menschen hören und es im Herzen aufnehmen: Gott hat an uns Gefallen. Genau dieses Wohlgefallen Gottes ist später die Initialzündung für Jesus, als er bei seiner Taufe hört: „Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“
Das haben die wachenden Hirten gehört. In diesem Wort haben sie das Kind gesehen. Darum heißt es: Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Denn Weihnachten ist die Zusammenführung des Wortes Gottes mit uns Menschen. Darum schreibt der Evangelist Johannes: „Und das Wort ist Fleisch geworden.“ Ob uns das gelingt: das Fest der Zusammenführung des Wortes Gottes mit uns Menschen zu feiern, so dass wir uns alle in seinem Wort neu sehen, unsere Lebensbrüche, unsere Weltgeschichte?
Das ist dann echt FROHE WEIHNANTEN! Ferdinand.Rauch / www.rauch-signale.de