Erste Lesung aus dem Buch Jesája. Jes. 42, 5a.1–4.6–7
5a So spricht Gott, der Herr:
1 Siehe, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen.
Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Nationen das Recht.
2 Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Gasse erschallen.
3 Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus;
ja, er bringt wirklich das Recht.
4 Er verglimmt nicht und wird nicht geknickt, bis er auf der Erde das Recht begründet hat.
Auf seine Weisung warten die Inseln.
6 Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand.
Ich schaffe und mache dich zum Bund mit dem Volk, zum Licht der Nationen,
7 um blinde Augen zu öffnen,
Gefangene aus dem Kerker zu holen und die im Dunkel sitzen, aus der Haft.
Zweite Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an Titus. Tit 2, 11–14; 3, 4–7
11 Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.
12 Sie erzieht uns dazu, uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen
und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben,
13 während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten:
auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus.
14 Er hat sich für uns hingegeben, damit er uns von aller Ungerechtigkeit erlöse
und für sich ein auserlesenes Volk schaffe, das voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun.
3,4 Als die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien,
5 hat er uns gerettet – nicht aufgrund von Werken der Gerechtigkeit,
die wir vollbracht haben, sondern nach seinem Erbarmen –
durch das Bad der Wiedergeburt und die Erneuerung im Heiligen Geist.
6 Ihn hat er in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter,
7 damit wir durch seine Gnade gerecht gemacht werden
und das ewige Leben erben, das wir erhoffen.
Evangelium Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas. Lk 3, 15–16.21–22
In jener Zeit – und das ist HEUTE –
15 war das Volk voll Erwartung und alle überlegten im Herzen,
ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei.
16 Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort:
Ich taufe euch mit Wasser.
Es kommt aber einer, der stärker ist als ich,
und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen.
Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
21 Es geschah aber,
dass sich zusammen mit dem ganzen Volk auch Jesus taufen ließ.
Und während er betete, öffnete sich der Himmel
22 und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab
und eine Stimme aus dem Himmel sprach:
Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.
SONNTAGSGEDANKEN
Die Kindertage Jesu sind vorbei. Aus dem Kind, über das die himmlischen Frohbotschafter sagten: „Euch ist in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. …aus dem Kind, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ (Lk,2, 11-12) und von Hirten, die die das Kind sahen und „von dem Wort erzählten, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war“ (Lk,2, 17) … und das an der Schwelle zum Erwachsen-werden gegenüber seinen Eltern im Tempel, dem Haus JHWHs, von sich selbst gesagt haben soll: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49) ist nun ein zirka 30-jähriger Mann geworden.
Auch wenn es nicht direkt so geschildert wird, so sehen wir doch einen Jesus, der auch als Erwachsener ein „Ausreißer“ ist, denn er verlässt Nazareth, sein bisheriges Zuhause, und geht als „Hörender“ zu Johanes dem Täufer in die Wüste – an den Jordan: übersetzt: „Herabsteigender“. Mehr noch: Jesus geht in eine Art Stimmung hinein, in der viele Menschen nicht nur den „Christus“, den „Messias“ erwarten, sondern sogar schon in dem Menschen Johannes vermuten. „Gottes Geist im konkreten Menschen unter den Menschen“ – keine Erfindung des Jesus von Nazareth, sondern des sich entwickelnden, entfaltenden Glaubens wie wir es aus dem Ersten Testament grundsätzlich kennen. Schließlich ist für JHWH der Mensch immer schon SEIN Ebenbild.
Bei seiner „sichtbaren“ Taufe im Jordan „hört“ Jesus die „unsicht-bare“ Stimme JHWHs: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ … eine Art „erwachsen gewordene Entwicklung“ der Frohbotschaft aus der Heiligen Nacht: „Ehre sei Gott in der Höhe / und Friede auf Erden / den Menschen seines Wohlgefallens.“ … und der Weiterentwicklung der Frage des 12-jährigen Jesus im Tempel: „Wusstet ihr nicht, dass ich der Tempel Gottes bin?“ Denn Jesus sagt später : Größeres als der Tempel ist hier. (Mt 12,6) … und:„Er aber sprach von dem Tempel seines Leibes.“ (Joh 2,21) Gottesbeziehung ist Glaubensentwicklung in der Menschen-Ent-wicklung: auch in Jesus. Das macht IHN für uns nicht geringer, sondern bringt IHN uns näher!
Wie haben wir uns entwickelt?
Oder sind wir noch immer in den Windeln des Glaubens, dass wir zwar wissen, was über uns bei der Taufe gesagt wurde, aber dieses Wort seitdem immer noch „über uns“ steht, aber nicht in uns? Ist das Wort in uns Fleisch geworden, so wie es am Weihnachtstag verkündet wurde: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, sind aus Gott geboren. … Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.“ (Joh 1,12.16) Christin, Christ zu sein – getauft zu sein – ist immer „gläubige Evolution“, ist Weiterentwicklung unserer Gottesbeziehung, die im Weiterentwickeln keinen Stillstand kennt. Da die Gnade die Natur voraussetzt, gehört zur Natur der Gnade unsere Evolution.
Darum gehört zur oben gestellten Frage: „Wie haben wir uns entwickelt?“ die Frage: Wodurch entwickeln wir uns weiter?
Im Berufsleben hieße es: Fortbildung. Im Berufungs-Leben gilt das auch! Zum Beispiel durch bewusste Gespräche dazu in der Familie, in Glaubensgesprächskreisen, in Bibelgesprächsrunden, manchmal sogar aus Anlass von ausgesuchten Filmen. Wie Jesus, so müssen wir dazu im übertragenen Sinn das altbekannte Nazareth (übersetzt: „Erstarrung“) unserer gewohnten Selbstverständlichkeiten verlassen. Nicht immer leicht. Aber Jesus ist der Weg … und nicht der Standpunkt. Jesu einziger Standpunkt ist es, „in Gottes bedingungsloser Liebe weiterzugehen“.
Taufe ist nicht der Abschluss der Gotteskindschaft, sondern der Beginn, darin als Gottes Tochter, als Gottes Sohn durchs Leben zu gehen. Es ist eine Art „Geburt zum Leben“, indem man das „Licht Gottes“ erblickt. Darum haben wir auch zwei Augen, damit wir sowohl das Licht der Welt als das Licht Gottes erblicken. Darin besteht die wahre Sichtweise unseres Lebens!
Gesegneten Durchblick!
Ferdinand Rauch / www.rauch-signale.de