Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus nach Johannes.
Passion Joh 18,1–9. 15–18. 25–31. 33 – 38
1 Jesus ging mit seinen Jüngern hinaus, auf die andere Seite des Baches Kidron.
Dort war ein Garten; in den ging er mit seinen Jüngern hinein.
2 Auch Judas, der ihn auslieferte, kannte den Ort,
weil Jesus dort oft mit seinen Jüngern zusammengekommen war.
3 Judas holte die Soldaten und die Gerichtsdiener der Hohepriester und der Pharisäer
und kam dorthin mit Fackeln, Laternen und Waffen.
4 Jesus, der alles wusste, was mit ihm geschehen sollte, ging hinaus und fragte sie:
Wen sucht ihr?
5 Sie antworteten ihm: Jesus von Nazaret. Er sagte zu ihnen: Ich bin es.
Auch Judas, der ihn auslieferte, stand bei ihnen.
6 Als er zu ihnen sagte: Ich bin es!, wichen sie zurück und stürzten zu Boden.
7 Er fragte sie noch einmal: Wen sucht ihr? Sie sagten: Jesus von Nazaret.
8 Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ich es bin.
Wenn ihr also mich sucht, dann lasst diese gehen!
9 So sollte sich das Wort erfüllen, das er gesagt hatte:
Ich habe keinen von denen verloren, die du mir gegeben hast.
15 Simon Petrus und ein anderer Jünger folgten Jesus.
Dieser Jünger war mit dem Hohepriester bekannt
und ging mit Jesus in den Hof des Hohepriesters.
16 Petrus aber blieb draußen am Tor stehen. Da kam der andere Jünger,
der Bekannte des Hohepriesters, heraus;
er sprach mit der Pförtnerin und führte Petrus hinein.
17 Da sagte die Pförtnerin zu Petrus: Bist nicht auch du einer von den Jüngern dieses Menschen?
Er sagte: Ich bin es nicht.
18 Die Knechte und die Diener hatten sich ein Kohlenfeuer angezündet
und standen dabei, um sich zu wärmen; denn es war kalt.
Auch Petrus stand bei ihnen und wärmte sich.
25 Simon Petrus aber stand da und wärmte sich. Da sagten sie zu ihm:
Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern? Er leugnete und sagte: Ich bin es nicht.
26 Einer von den Knechten des Hohepriesters, ein Verwandter dessen,
dem Petrus das Ohr abgehauen hatte, sagte: Habe ich dich nicht im Garten bei ihm gesehen?
27 Wieder leugnete Petrus und gleich darauf krähte ein Hahn.
28 Von Kájaphas brachten sie Jesus zum Prätórium; es war früh am Morgen.
Sie selbst gingen nicht in das Gebäude hinein, um nicht unrein zu werden,
sondern das Paschalamm essen zu können.
29 Deshalb kam Pilatus zu ihnen heraus und fragte:
Welche Anklage erhebt ihr gegen diesen Menschen?
30 Sie antworteten ihm: Wenn er kein Übeltäter wäre, hätten wir ihn dir nicht ausgeliefert.
31 Pilatus sagte zu ihnen: Nehmt ihr ihn doch und richtet ihn nach eurem Gesetz!
Die Juden antworteten ihm: Uns ist es nicht gestattet, jemanden hinzurichten.
33 Da ging Pilatus wieder in das Prätórium hinein, ließ Jesus rufen und fragte ihn:
Bist du der König der Juden?
34 Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus oder haben es dir andere über mich gesagt?
35 Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein Volk und die Hohepriester
haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan?
36 Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.
Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen,
damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Königtum nicht von hier.
37 Da sagte Pilatus zu ihm: Also bist du doch ein König?
Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König.
Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.
Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.
38 Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit?
KARFREITAGS-GEDANKEN
Ich glaube kaum, dass irgendwer von uns schon jemals an einem Karfreitag mit einer Maske zum Gottesdienst gekommen ist.
Masken verbergen das Gesicht. Sie verhindern das genaue Erkennen des anderen Menschen. Man maskiert sich, um nicht erkannt zu werden.
„Demaskierung“ bedeutet: „Ich gebe mich zu erkennen. Ich zeige, wer ich bin – wer ich wirklich bin.“
Ich denke zum Beispiel an unsere Beiträge beim Passia-Mahl am gestrigen Gründonnerstagabend, wo einige von uns über ihre „Exoduserfahrungen“ sprachen und zum Teil tiefe Einblicke in ihr Leben gaben. Es war eine Art der Demaskierung, wodurch für uns alle deutlich wurde: „Das bist Du wirklich. Das steckt hinter dir, bzw. diese Erfahrung, diese Geschichte steckt verborgen in Dir.“ Nun sehe ich Dich anders.
In der eben gehörten Passionserzählung wurden wir Zeuginnen und Zeugen von Menschen ohne Maske, von Menschen mit Maske und von Demaskierung.
Zunächst begegnet uns der Mensch ohne Maske in der Person Jesu. Es heißt: „Jesus ging aus dem Garten und fragt die bewaffneten Gerichtsdiener der Hohenpriester und Pharisäer: ‚Wen sucht Ihr?‘“ Sie antworteten ihm: „Jesus von Nazareth.“ Er sagt zu Ihnen: ICH BIN ES! „Ich bin es.“ Keine Maske, kein Verbergen, kein Verstecken. Ohne jegliche Maske, sondern: „Ich bin es.“ Anscheinend ein Starkes Wort aus einem starken Menschen, der ganz und gar zu sich steht.
„ICH BIN ES.“ – So stellte sich auch Gott dem Mose am Dornbusch vor. “ICH BIN ES“, so sagt Gott: ICH BIN ES für alle Generationen, für alle Menschen aller Zeiten.
Jesu „Ich bin es“ ist sozusagen eine direkte Gottesbegegnung! Darum heißt es: Als er zu ihnen sagte: Ich bin es!, wichen sie zurück und stürzten zu Boden. Gott im Menschen – das haut sie um! Menschen, die zu sich stehen – Menschen ohne Maske – haut Menschen um, die nur durch Waffen Macht haben, nur durch Waffen und Gewalt „wer sind“.
Jesu „Ich bin es“ ist eine Aussage, die nicht andere belastet, sondern ganz allein für IHN steht. Darum sagt er: „Ich habe euch gesagt, dass ich es bin. Wenn ihr also mich sucht, dann lasst diese gehen!“ Sein „Ich bin es“ soll auch kein Schwert verteidigen, sondern nur der ICH BIN ES – der JHWH im Menschen.
Ganz anders die direkt darauffolgende Szene mit Petrus. Petrus maskiert sich aus Angst mit der Maske der Leugnung, um nicht erkannt zu werden als die Pförtnerin fragt: „Bist nicht auch du einer von den Jüngern dieses Menschen?“ Er sagte: Ich bin es nicht.“ Auch als er ein Zweites Mal gefragt wird: „Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern? leugnet Petrus und sagt: „Ich bin es nicht.“ Und als einer der Waffenknechte sagt: Habe ich dich nicht im Garten bei ihm gesehen?“, heißt es: „Wieder leugnete Petrus und gleich darauf krähte ein Hahn.“ Petrus kann aus Angst um sich nicht zu sich stehen. Er versteckt sich hinter der Maske der Selbstverleugnung.
„ICH BIN ES!“ ist das Bekenntnis: „Ich stehe zu mir!“
„Ich bin es nicht!“ bedeutet an dieser Stelle: „Ich stehe nicht zu mir selbst. Ich habe mich von mir selbst getrennt. Ich bin eine gespaltene Person. Im Spiel mit unseren Masken bedeutet es: Petrus hat sich maskiert. Er ist nicht mehr er selbst. Er ist gespalten: halb – unheil. Doch genau darum geht es Gott! Gott ist der ICH BIN BEI EUCH, damit wir zu uns und unserer Lebensgeschichte stehen, damit jeder von uns innerlich EINS wird.
Wer zu sich selbst steht, ist ein König! Nicht ein König im Äußeren. Nicht ein König mit Land, nicht mit Untertanen und auch nicht mit Streitmacht. Wer zu sich steht, ist ein König in seinem Inneren, in seinem Herzen. Jesus verkündet sein Königtum in dieser Weise: Er sagt: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ Pilatus fragt daraufhin: „Was ist Wahrheit?“
Die Antwort ergibt sich aus den Worten Jesu: WAHRHEIT ist nicht von dieser Welt – besteht also in einer Beziehung, die über die Welt, über die Materie, über Raum und Zeit hinausgeht. Es geht um eine unsichtbare ewige Beziehung, die über die Welt, über Raum und Zeit hinausgeht. Es geht um eine verborgene Beziehung, die ewige Beziehung, die aus diesem Jesus einen Menschen gemacht hat, der sagen kann: „ICH BIN ES.“ – einen Menschen, der zu sich steht, weil Gott bedingungslos zu ihm steht. Für Jesus ist jede und jeder von uns aus der Wahrheit, die in uns lebendig wird, wenn wir auf ihn hören. Das heißt: wenn wir seine Verkündigung in uns aufnehmen.
Und seine Verkündigung lautet: „Du bist Gottes geliebtes Kind – bedingungslos geliebtes Kind. Gott hat an Dir Gefallen gefunden.“ Diesen Verkündigungsinhalt in sich selbst und von allen Menschen in sich aufzunehmen: das ist DIE WAHRHEIT DES MENSCHEN. Für diese Wahrheit kam Jesus. Für diese Wahrheit gab er sein Leben. Wegen dieser Wahrheit „musste“ er sterben. Denn diese Wahrheit gilt auf ewig für alle vor und nach dem Tod. Denn Wahrheit, die endet, wäre keine wirkliche Wahrheit! Wahrheit gilt ewig oder es gibt keine Wahrheit!
Darum sind wir als Christinnen und Christen aus der Wahrheit! Wir kommen aus der ewigen Beziehung, die uns darin bestärkt, zu uns zu stehen – auch zu unseren Fehlern, Schwächen, Bosheiten und Sünden. Doch über allem stehen wir dazu, von Gott bedingungslos als seine Töchter und Söhne gewollt, angenommen und geliebt zu sein wie Jesus. Ich bin froh, durch Jesus Christus unsere Wahrheit zu kennen. Es ist die Wahrheit, die bewirken kann, unsere Angstmasken fallen zu lassen. Denn Gott steht zu uns wie er zu dem gekreuzigten Jesus steht. Gott hat in Jesus die Maske abgenommen, die wir ihm aufgesetzt haben. Dadurch sehen wir unsere Wahrheit vor Gott. Amen. Ferdinand.Rauch / www.rauch-signale.de